„Das ist unterlassene Hilfeleistung“
Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold: „So langsam wird es auch dem Letzten in der Politik klar, dass die Hütte brennt im Mittelstand. Es ist gut, dass täglich mehr Politiker unsere Forderungen nach schnellerer Hilfe in der Energiepreiskrise übernehmen. Am vergangenen Freitag waren es die Ministerpräsidenten der Länder, jetzt auch Bundeskanzler Scholz und – zumindest in Sachen Strompreis – heute auch Wirtschaftsminister Habeck. Das ist auch dringend nötig. Denn unsere Betriebe brauchen mehr als die Abschlagszahlung fürs Gas im Dezember. Im Januar und Februar sind ebenso Überbrückungshilfen notwendig. Jedoch: Bislang bleiben es nur Worte. Das Handwerk braucht aber nach Monaten der unerträglichen Geduldsproben und Versprechungen, von denen keine eingelöst wurde, etwas Konkretes in den Händen. Wenn die Bundesregierung nicht endlich verlässlich beschließt, was Handwerksbetriebe an Unterstützung zu erwarten haben, ist das unterlassene Hilfeleistung.
In seiner Regierungserklärung behauptete der Kanzler, keiner müsse wegen der Energiekrise Angst vor Überforderung haben. Wir fragen uns jedoch durchaus, ob er ernsthaft glaubt, dass sich eine verfünffachte Strom- und Gasrechnung von selber zahlt, nur weil er die 200 Milliarden Euro ankündigt? Die Betriebe, die schon jetzt nicht wissen, wie sie die bereits seit Wochen explodierten Kosten decken sollen, haben keine Angst vor Überforderung – sie sind längst überfordert. Erste Betriebe haben schon geschlossen, bei vielen steht dies fürs neue Jahr an, weil dann ein Großteil der Energielieferverträge ausläuft. Neue Verträge sind schwer zu bekommen, einen Zwang für Versorger, solche Verträge abzuschließen, gibt es auch noch nicht. Hilfe in dieser Not wird seit Monaten von der Ampel in Berlin und von Grün-Schwarz in Stuttgart verweigert.
Politiker aus Bund und Land haben Repräsentanten unserer Organisationen noch vor wenigen Wochen zugesagt, dass das Handwerk unverzüglich in die Hilfsprogramme integriert wird, dass das Energiekostendämpfungsprogramm nicht nur für die Industrie gelten wird, sondern für KMU geöffnet wird, dass die Hilfen sogar rückwirkend gelten. Jetzt fragen uns dieselben Politiker, warum wir mit der Preisbremse im März nicht zufrieden seien. Es ist kein Wunder, dass die Stimmung in den Betrieben täglich schlechter wird. Enttäuschung, Sprachlosigkeit und Wut greifen um sich. Dass das Handwerk seit Monaten mit seinen angeblich so wichtigen Leistungsträgern als Substanz der Wirtschaft gelobt, aber bei den entscheidenden, schnell wirkenden Maßnahmen vergessen wird, produziert den größten Vertrauensverlust in der Geschichte der deutschen Nachkriegsdemokratie. Die Politik scheint sich nicht im Klaren darüber zu sein, welchen Flurschaden sie auch für sich selbst gerade anrichtet.
Daher gilt weiterhin: Wenn der Bund nicht liefert, muss das Land ran. Der Vorschlag der baden-württembergischen FDP, den ungenutzten Corona-Fonds für zinslose Darlehen an mittelständische Betriebe zu nutzen, ist einfach und gut. Das Landeswirtschaftsministerium sollte sich zu diesem Vorschlag äußern.“