Handwerk besorgt über Schulpolitik mit der Brechstange
Schulgesetz-Novelle in den Landtag eingebracht -
Nicht alles ist in den Augen des Landeshandwerks kritikwürdig: Das neue Sprachförderkonzept der Landesregierung, der Ausbau und der Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung und besonders die seit Jahren überfällige Gleichstellung der beruflichen und akademischen Bildung in den Gymnasien ist im Sinne des Handwerks. Mehr Positives sieht die Dachorganisation Handwerk BW jedoch nicht.
„Es ist überfällig, etwas gegen die Verschleppung sprachlicher Defizite zu unternehmen. Was als Basis in der Grundschule fehlt, bleibt sonst eine Lücke bis zum Abschluss“, stellt Handwerk BW-Präsident Rainer Reichhold fest. „Das bestätigen nach unserer Ansicht auch die Kompass 4 Tests. Die schlechten Ergebnisse können nicht nur an der Methode liegen, das schlechte Niveau bestätigen unsere Betriebe seit Jahren, wenn aus Schulabgängern Lehrstellenbewerber werden.“ Hier brauche es mehr Selbstkritik des Schulsystems. Ebenso dringlich wie die Sprachförderung und Verbesserung der Mathekenntnisse bewertet Reichhold, jetzt endlich die Gymnasien darauf zu verpflichten, nicht nur auf die akademische Ausbildung vorzubereiten. Demnächst müssen sie die berufliche Bildung als gleichwertiges Ziel nach dem Abitur behandeln. „Diese Selbstverständlichkeit haben wir seit Jahren eingefordert“, so Reichhold.
Die Wiedereinführung von G9 sieht das Handwerk grundsätzlich kritisch. Es ist zu befürchten, dass die übrigen Schularten erneut in den Hintergrund rücken und in der Folge deren Attraktivität und Qualität leidet. Die Sorge, dass dies langfristig weniger Azubis fürs Handwerk bedeuten kann, liegt auf der Hand. Auch wird immer mehr klar, dass die versprochenen beruflichen Schwerpunkte im neuen G9 eine Mogelpackung waren. Just vergangene Woche wurde bekannt, dass die Stundentafel im Fach Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung (WBS) nur um eine Stunde anstatt wie angekündigt um zwei erhöht wird. „Wenn die berufliche Orientierung so stiefmütterlich im Gymnasium verankert wird, sehen wir schwarz für die neue Pflicht zur gleichwertigen Behandlung der beruflichen Bildung. Hier widerspricht die Regierung ihren eigenen neuen gesetzlichen Regeln“, kritisiert der Landeshandwerkspräsident.
Handwerk BW hatte im Mai pünktlich zu den damaligen Gesprächen über die Schullandschaft im Land ein Positionspapier veröffentlicht. Reichhold: „Die darin enthaltenen Bedürfnisse der Wirtschaft ignoriert die Landesregierung seither konstant und beruft sich auf die größte Bildungsreform seit Jahren – das ist inakzeptabel“. Das Handwerk fordere dagegen eine echt Bildungswende. Die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg müsse endlich die Bedürfnisse der Betriebe abbilden, Schüler müssten praxisnah unterrichtet werden und verlässliche Strukturen für die kommenden Jahre vorfinden. „Mit dem x-ten Versuch, Schulverbünde und Kooperationen vorzuschreiben, schiebt man nur die Zuständigkeiten hin und her, so dass am Ende keiner mehr für die Unterrichtsqualität und den einzelnen Schüler zuständig sein will,“ bemängelt Präsident Reichhold. Nach über zehn Jahren Abstieg drohe der nächsten Landesregierung eine weitere Hypothek bei künftigen Leistungstests hiesiger Schüler.